Bühne frei für die Königsdisziplin der Lichtanwendung.

Dramatik gibt es nicht nur im Kino. Auch in der Lichtplanung spielt sie eine entscheidende Rolle. Der Licht-Regisseur Thomas Lack erklärt, wie dramatisches Licht unsere Wahrnehmung beeinflusst. Und warum Lichtdramatik die Königsdisziplin der Lichtanwendung ist.

Dramatik schafft Stimmung

Doch was hat all dies letztendlich mit Licht zu tun? Sehr viel! Denn auch in der Welt des Lichts ist die Dramatik ein wichtiges Instrument. Der Begriff umschreibt hierbei ein bestimmtes Verhältnis von hellen Stellen und dunklen Umgebungsbereichen oder Licht und Schatten, das nur mit speziell abgestimmten Lichtkomponenten erzielt werden kann. Die Architekturbiennale beispielsweise stellt seit mittlerweile 36 Jahren eindrucksvoll unter Beweis, wie entscheidend die Lichtdramatik für stimmungsvolle Lebensräume ist. Zudem ist erwiesen, dass dramatisch inszenierte Objekte grösser und spannender erscheinen – und die Aufmerksamkeit stärker auf sich ziehen. Im Retail-Business setzt dramatisches Licht die Produkte effektvoll in Szene. Und in der Gastronomie sorgt es für ein einzigartiges Ambiente, das sich allein durch schönes Mobiliar und passende Farben nur schwer erzielen liesse. Eine starke Lichtdramatik ist jedoch nicht überall wünschenswert. Gerade im Arbeitsbereich ist es meist sinnvoll, darauf zu verzichten, da sonst diverse manuelle Tätigkeiten nur schwer erfüllt werden können. Beispiele dazu sind das Ansetzen eines Bleistiftes auf einen genauen Punkt oder Schattenschläge auf Messgeräten, die beim exakten Ablesen irritieren.

Eine dramatische Lichtstimmung sorgt vielfach für starke Schlagschatten. Besonders beim «punktgenauen» Arbeiten am Schreibtisch kann dies sehr störend sein.

Genau das richtige Mass

Grundsätzlich gilt: Die Planung der Dramatik ist eine Königsdisziplin der Lichtanwendung! Sie bedarf nicht nur grosser Sorgfalt, sondern auch viel Erfahrung und Fachwissen. Wird dramatisches Licht nämlich zu stark oder zu schwach eingesetzt, kann dies verheerende Folgen haben: Gesichter verwandeln sich plötzlich in ungeheuerliche Monster, glatte Oberflächen werden zu Wellentälern oder wichtige Details werden auf einmal unsichtbar. An gewissen Orten ist besonders viel Sensibilität gefragt – hier sind Anteile diffuser Beleuchtung entscheidend. Denken Sie nur an die Garderobe eines Modegeschäfts! Eine starke Lichtdramatik führt im schlimmsten Fall zu einem unvorteilhaften Bild im Spiegel und sorgt dafür, dass man die Kleider lieber wieder zurückhängt. Ebenso wissen Experten, dass man im Aussenbereich besser sparsam mit dramatischem Licht umgeht. Andernfalls läuft man Gefahr, anstatt einer spannenden Lichtstimmung eine Atmosphäre zu schaffen, die Unsicherheit und Angst auslöst.

Gut geplante, dramatische Lichtstimmungen mit gezielt undramatischen Bereichen wirken spannend und laden zum Verweilen ein. Sie blenden nicht, stellen nicht aus und bieten Zonen zum «Verkriechen» sowie Raum für feine Effekte.

Kein Zufallsprodukt

Ob stark oder schwach: Dramatik ist kein Zufallsprodukt der Lichtanwendung, sie kann kontrolliert und inszeniert werden. Dazu müssen jedoch vorab zahlreiche Parameter definiert werden. Wie sieht die Lichtverteilung der einzusetzenden Leuchten aus? Welche Raum- und Tageslichtverhältnisse herrschen direkt vor Ort? Und welcher Betrachtungswinkel wird erwartet? Diese und weitere Fragen gilt es für ein optimales Ergebnis im Detail zu klären. Einige Aspekte der Dramatik sind unter dem Begriff «Modelling» auch in der aktuellen Norm DIN EN 12464 behandelt. Um die Lichtdramatik in Zahlen zu fassen und so Vergleichbarkeit zu schaffen, bezieht man sich in der Lichtplanung oftmals auf die sogenannte Hell-Dunkel-Differenz vom angestrahlten Bereich zur unmittelbaren Umgebung. Definiert man für das betreffende Objekt die Helligkeit «2» und für die Umgebung die Helligkeit «1», ergibt dies eine sehr schwache, kaum wahrnehmbare Dramatik. Wird das Objekt jedoch sehr stark angestrahlt (Helligkeit «50») und die Umgebung ist sehr dunkel (Helligkeit «1»), wird dies als sehr dramatisch empfunden. Je grösser die Differenz, desto stärker die dramatische Wirkung. Diese Werte sind jedoch nur Anhaltspunkte, denn im Endeffekt ist die Lichtdramatik auch eine Frage der Empfindung und wird von verschiedenen Betrachtern unterschiedlich interpretiert. Dies macht ihre professionelle Anwendung nicht nur zur besonderen Herausforderung, sondern auch zur sensiblen Gefühlssache.

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