Ungeliebt, langweilig und doch am wichtigsten.

Unseren Gleichgewichtssinn könnten wir gleich vergessen, hätten wir nicht die passenden Lichtverhältnisse, um uns zu orientieren. Doch was heisst das genau? Wann orientiere ich mich, wie und was überhaupt sind passende Lichtverhältnisse? Ein Bericht von Thomas Lack, Leiter Lichtanwendung, Neuco.

Licht zur Orientierung. Die ungeliebte, oftmals gar langweilige Komponente einer Lichtstimmung ist jedoch die wichtigste, um überhaupt zum Ziel zu gelangen. Licht zur Orientierung begleitet uns immer. Es ist notwendig, damit unser Gleichgewichtssinn nicht aus den Fugen gerät. Mein eindrücklichstes, fast schon einschneidendes Erlebnis dazu war ein ungeplanter Spaziergang durch den Tunnelwanderweg in der Verdon-Schlucht.

Die faszinierenden Tunnels sind nicht beleuchtet und grob aus dem Felsen geschlagen. Man sieht teilweise den Ausgang, läuft euphorisch hinein, wird dann aber bei der ersten Bodenunebenheit vorsichtig – und bleibt schliesslich plötzlich stehen, weil jeder Schritt auf dem schwarzen unebenen Boden zu Gleichgewichtsproblemen führt. Intuitiv kehrt man um, läuft zurück, und am Ende bleibt die Tatsache, dass von den vielen Tunnels nicht einmal eines gemeistert wurde.

Lichtakzente in der Natur, nachgestellt im Neuco Mock-up

Vom Kindergarten zur Altersresidenz

Die Orientierung funktioniert aber nicht nur über den Boden, alle Flächen in unserem Sichtfeld sind wichtig und sollten ausgewogen beleuchtet sein. Die Werte von Decken und Wänden im Sichtfeld des Nutzers sind übrigens in der neuen EN 12464-1 geregelt. Doch wieder zurück zum Thema Orientierung oder besser gesagt wie viel Licht der Mensch braucht, um sich ohne Probleme zu orientieren. Das Spannende respektive die Schwierigkeit dabei ist, dass sich bereits hier die erste Herausforderung herauskristallisiert: Wir sind nicht alle gleich.

Was damit gemeint ist: Ein Kind benötigt deutlich weniger Licht als ein 60-Jähriger, um sich zu orientieren. Es bestehen grosse Unterschiede im Lichtbedarf, um die gleiche Sehaufgabe leisten zu können. In der Planung sind diese «zwei Extreme» – der Kindergarten und die Altersresidenz – sehr wichtig. Die Orientierungsbeleuchtung soll horizontale und vertikale Anteile enthalten. Fehlt eine der beiden Komponenten, können Objekte nicht dreidimensional wahrgenommen werden. Das Fantastische am menschlichen Auge ist, dass es sich im Bereich von 1 bis über 100 000 Lux dem Lichtverhältnis anpassen kann.

Hell gleich weniger Energie, dunkel…

Zum Vergleich einige typische Werte aus der Lichtplanung: Eingänge oder Durchgänge zu Wohnbauten für Fussgänger zirka 1 Lux, Korridor in der Nacht im Spital rund 50 Lux, Eingangshallen öffentlicher Bereiche etwa 100 Lux. Wichtig ist hier zu erwähnen, dass Lux-Werte abstrakte Werte sind und daher nicht gesehen, sondern nur gemessen werden können. Der Mensch sieht nur reflektiertes Licht, das heisst, die Leuchtdichte einer Fläche. Und dieses ist wiederum zu 100 Prozent von der Helligkeit der betrachteten Fläche abhängig. Im gänzlich schwarzen Raum können auch 1000 Lux keine Helligkeit erzeugen, da alles Licht von den schwarzen Flächen absorbiert wird.

Auch diesem Umstand trägt die Norm EN 12464-1 Rechnung – mit Empfehlungen der Reflexionsgrade von Decken, Wänden und Böden. Ebenso wird dieser Umstand bei Planungen nach dem Minergie-Standard berücksichtigt. Helle Raumgestaltung benötigt schliesslich weniger Energie für den gleichen Helligkeitseindruck als dunkle Raumgestaltung (Flächen, Farben). Bei gefährlichen Stellen beziehungsweise in heiklen Situationen wird die Helligkeit direkt geregelt, so etwa bei Strassenbeleuchtungen. In der Nacht reicht uns der Vollmondschein als Licht zur Orientierung, denn die dabei erreichten Beleuchtungsstärkenwerte um 1 bis 3 Lux helfen uns wunderbar, sicher über flaches Terrain zu gehen. Schwieriger wird es allerdings im unebenen Gelände. Und aus der Vollmondlichtsituation heraus leiten sich die Werte ab, welche bei Aussenanlagen mit ebenen Fusswegen angewendet werden.

Eine Demonstration in unserm «Mock-up-Raum»

Aus untenstehenden Bildern ist klar zu erkennen, dass Beleuchtungsstärke nicht gleich Helligkeitseindruck ist. Und dass es für eine gute und energieoptimierte Lichtidee sehr wichtig ist, die Raumbegrenzungsflächen genau zu kennen. In unserem Mock-up-Raum können wir 1:1-Simulationen realisieren. Dies auch im Bezug zu Raumhöhen von 2 – 4,6 Metern. Optisch wird der Raum durch eine 6 x 4,6 Meter hohe Spiegelwand auf 6 x 12 Meter vergrössert. Auch Wandabstände von Leuchtengruppen sind durch Querfahren der Decke veränderbar.

Lichtsituation im Neuco Mock-up bei immer gleicher Beleuchtungsstärke von 50 Lux. Der Messpunkt befindet sich im Bereich der Stehleuchte am Boden. Einziger Unterschied ist der helle Teppich links und der dunkle Teppich rechts. Markant: verschiedenes Raumempfinden bei immer gleicher Beleuchtungsstärke.

 

Fragen über Fragen.

Woher das Licht zur Orientierung kommt

Durch dafür direkt geplante Leuchten, Reflexionslicht über Flächen, Tageslicht. Wenn das Orientierungslicht über Reflexionslicht geplant wird, ist es essenziell, dass die präzisen Reflexionswerte der Umlenkflächen bekannt sind.


Wo Kompromisse gemacht werden können

Privatbereiche und Korridore sind Bereiche, die oft von den gleichen Personen benutzt werden, und da ist denn auch der Lichtbedarf unterschiedlich.


Wo keinesfalls Kompromisse gemacht werden können

An Arbeitsplätzen, und überall, wo die Beleuchtung sicherheitsrelevant ist, soll immer der Normwert im Arbeitsfeld erreicht werden. So etwa bei Treppenantritten, Perron-Kanten, Strassen und Hindernissen.


Wie an Grundlicht gespart werden kann

Durch individuelle Dimmung und durch intelligente Lichtsteuerungen, was heute an Arbeitsplätzen über individuell dimmbare Leuchten/Stehleuchten (Bsp. ECO-LED) gemacht wird. Auch im Aussenbereich werden immer mehr Lichtanlagen über Lichtmanagementssysteme angesteuert.

Nächster Artikel

Im Rampenlicht